Die nächsten vier Stunden waren zwar nicht mehr so langweilig wie dieser verdammt trockene Vortrag über die französische Revolution, aber Sophie war trotzdem mehr als glücklich, als der Schultag endlich zu Ende war. Zumindest waren Angela und Jessica wirklich nett; da machte die Schule gleich viel mehr Spaß.
Als Jess sie dann am Parkplatz fragte, ob sie sie nach Hause bringen sollte, hätte sie ihr Angebot fast angenommen, als sie plötzlich ihren Trainer sah. Eigentlich hatte sie heute noch Training, aber sie hatte immer noch Schmerzen und es wäre wohl wirklich besser für sie, wenn sie ihrem Körper noch einen Tag Zeit gab, um sich zu regenerieren. Sie würde ihre Gesundheit nicht für eine blöde Highschoolmannschaft auf's Spiel setzen. Allerdings musste sie das jetzt noch ihrem cholerischen Coach beibringen.
„Das wäre echt lieb von dir.“, sagte sie zu Jess, „Allerdings muss ich vorher noch meinem Coach sagen, dass ich heute nicht zum Fußballtraining kann... er wird vermutlich ein paar Minuten herumschreien.Kannst du so lange auf mich warten? Wenn nicht, ist das auch okay...“
Sie verabschiedete sich von Angela, die schon vor fuhr, weil sie noch mit ihren Eltern reden und etwas einkaufen musste, bevor sie schließlich all ihren Mut zusammen nahm, zu ihrem Coach ging und ihn mit einem höflichen „Entschuldigen Sie...“ auf sich aufmerksam machte.
Er drehte sich zu ihr und grinste sie an. Eigentlich grinste er immer, wenn er sie sah. Schließlich war sie eine der vielversprechenden Spielerinnen. Sie hatte Talent, war fit und hatte in ihrem alten Verein einiges an Technik gelernt. Dessen waren sich sowohl Sophie als auch ihr Trainer bewusst, weshalb der alte Schleimer normalerweise meistens übertrieben freundlich zu ihr war. Es sei denn, sie tat irgendetwas, das ihm nicht in den Kram passte; zum Beispiel nicht zum Training kommen.
„Parker!“, sagte er und grinste dabei immer noch, „Was gibt’s?“
Sophie atmete tief durch und genoss noch schnell die letzten paar ruhigen Sekunden vor dem Sturm. „Ähm... ich weiß nicht... wie ich's sagen soll...“, stammelte sie, „Also ich hatte gestern einen Fahrradunfall... und ich hab mich noch nicht ganz davon erholt... also kann ich wohl nicht... also ich sollte nicht... ich werde die nächsten Tage nicht ganz fit sein... und... ich kann heute nicht zum Training kommen.“
Etwa eine halbe Minute lang sagte er nichts, doch Sophie konnte beobachten, wie sein Gesicht langsam einen ziemlich beunruhigenden Rotton annahm. Dann fing er an laut zu werden.
„WAS SOLL DAS HEIßEN, 'SIE HATTEN EINEN UNFALL'?! MIT DEM FAHRRAD? WER FÄHRT DENN HEUTZUTAGE ÜBERHAUPT NOCH FAHRRAD? Das kann doch echt nur einer verdammten EUROPÄERIN EINFALLEN!
UND JETZT WOLLEN SIE AUCH DAS TRAINING SCHWÄNZEN? Was haben Sie sich denn überhaupt getan? Ich sehe keinen Gips an Ihren Füßen... WENN SIE NOCH AUF IHREN BEIDEN BEINEN STEHEN KÖNNEN, DANN KÖNNEN SIE AUCH NOCH TRAINIEREN!“
So ging es noch eine Weile weiter, bis er sich irgendwann abreagiert hatte, doch Sophie hörte ihm gar nicht so richtig zu. Es war doch sowieso egal, was er sagte. Die Nachricht war angekommen -er war stinksauer auf sie – aber ihre Gesundheit hatte einfach Vorrang, also ließ sie sich noch ein bisschen anschreien, bevor sie wieder zu Jess ging.
„Danke, dass du auf mich gewartet hast“, sagte sie während die beiden zu Jessicas Auto gingen und einstiegen, „Aber ich kann heute auf keinen Fall spielen und wenn ich einfach so das Training ausfallen lassen hätte, hätte er mich beim nächsten Training runter geputzt... und ich wollte es gleich hinter mich bringen...“
Es war ihr ein Rätsel, wie man wegen so einer Kleinigkeit so ausflippen konnte. Gesund war das vermutlich nicht... Weder für den Coach, noch für sein Umfeld. Sophie fragte sich, ob er eine Frau hatte und ob er sie auch so tyrannisierte. Die Schülerin konnte sich nicht vorstellen, dass irgendeine Frau freiwillig bei diesem Choleriker bleiben würde.
Aber das sollte sie jetzt nicht weiter kümmern. Schließlich war Wochenende!
Tbc: Parker Haus